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Die Jugendhilfestation Greifswald und die Integration der Tagesgruppenarbeit in ihr Leistungsangebot
Unsere Tagesgruppe befindet sich seit 1992 im Neubaugebiet Schönwalde II, einem Stadtteil von Greifswald. Ausgangsbedingungen für das Projekt waren Empfehlungen des Kultusministeriums “Milieu- und Lebensweltnähe” für Betroffene innerhalb der Jugendhilfe zu schaffen sowie “Ausgrenzungstendenzen durch organisatorische Spezialisierung von Einrichtungen” entgegenzuwirken.
Auf dieser Grundlage wurden sozialpädagogische Positionen erarbeitet, die durch das Konzept der Jugendhilfestation getragen werden. Die Jugendhilfestation definiert sich in ihrem Auftrag als (sozial)pädagogische Hilfe, die zwischen rein ambulanten Unterstützungsformen und der Fremdunterbringung steht. Sie bietet das komplette Spektrum der Hilfen zur Erziehung gemäß KJHG an. Sie kann somit von einer Stelle aus flexibel auf den gerade benötigten Bedarf reagieren, das heißt sie weicht die starren Strukturen und Säulen des KJHG auf und ermöglicht die Vernetzung der einzelnen Hilfeformen. Das Betreuungsarrangement ist auf den jeweils Betroffenen zugeschnitten und bei Änderung der Hilfe bleibt die bisher zuständige Bezugsperson erhalten. Ein weiterer wesentlicher Vorteil der Jugendhilfestationen ist ihre Integration in das direkte soziale Umfeld der Familien, Kinder und Jugendlichen. Dadurch garantieren die MitarbeiterInnen eine räumlich nahe Tätigkeit an den Lebens- und Aufenthaltsorten des Klientels, weite Wege werden vermieden und die regionalen Bezüge bleiben bestehen.
Die Erziehung in einer Tagesgruppe ist im § 32 KJHG wie folgt definiert: Hilfe zur Erziehung in einer Tagesgruppe soll die Entwicklung des Kindes oder des Jugendlichen durch soziales Lernen in der Gruppe, Begleitung der schulischen Förderung und der Elternarbeit unterstützen und dadurch den Verbleib des Kindes oder des Jugendlichen in seiner Familie sichern. Die Tagesgruppe unserer Einrichtung stellt einerseits eine ambulante Hilfe dar. Die Kinder leben primär in ihren Familien und werden nur über einen festgelegten Zeitraum pädagogisch betreut. Die Eltern bleiben weiterhin für die Erziehung ihrer Kinder verantwortlich, werden aber durch gezielte Aufgaben in die Betreuungsarbeit der Tagesgruppe einbezogen. Andererseits stellt die Tagesgruppe eine teilstationäre Hilfe dar, durch die eine umfassende Alltagsversorgung der Kinder unabhängig von der Leistungsfähigkeit der Eltern sichergestellt wird. Wir verstehen uns als ein familienunterstützendes Angebot, bei dem Eltern und Kind die Maßnahme bejahen und den Auftrag mit formulieren müssen.
Ziel der Arbeit in der Tagesgruppe ist die emotionale Entwicklung und Stabilisierung des Kindes, der Förderung und Begleitung der schulischen Integration und der Verbesserung und Stabilisierung der Beziehungen zwischen Eltern und Kindern. Ein wesentlicher Schwerpunkt ist aber vor allem die Elternarbeit, denn die Tagesgruppe ist ein zeitlich be grenztes, nicht auf Dauer angelegtes Hilfearrangement. In der Perspektive soll die Tagesgruppenbetreuung bei einem noch vorhandenem tragfähigen familiären System und der Mitarbeitsbereitschaft der Eltern eine Stabilisierung der elterlichen Erziehungstüchtigkeit in der verbleibenden Freizeit, wie die Abendstunden, das Wochenende und zum Teil in den Ferien bewirken bzw. durch ein minderintensives Hilfearrangement ablösbar sein. Die Hilfe setzt lebensweltorientiert dort an, wo die Entwicklungsstörungen oder Auffälligkeiten des Kindes entstanden sind unter Einbeziehung des familiären und sozialen Umfeldes. Kinder, die in Tagesgruppen einen Platz finden, haben häufig die gleiche Vorgeschichte bzw. leben in vergleichbaren Problemlagen wie Kinder in der Heimerziehung. In der Anamnese sind meist deckungsgleich folgende Ursachen zu finden:
- Eingeschränkte Erziehungstüchtigkeit der Eltern
- Problematisches häusliches Milieu
- Schulprobleme, Leistungsängste
- Integrationsschwierigkeiten
- Motorische Störungen
- Überforderung, Leistungsdruck durch die Eltern
Tagesgruppen finden im Katalog der Hilfen zur Erziehung ihre Berechtigung zwischen der vollstationären Unterbringung und den ambulanten, beratenden Angeboten. Bei, wie oben schon genannt, relativ tragfähigen familiären Beziehungen kann die Tagesgruppe einen zu starken Eingriff in das soziale Milieu des Kindes oder Jugendlichen vermeiden. Sie ist in der Lage, von außen an die Familie Impulse heranzutragen, die den Umgang mit dem eigentlichen Problem erleichtern. Sie kann die familiäre Situation durch die zeitweilige Herausnahme des Kindes oder Jugendlichen entlasten, lässt aber gleichzeitig keine Realitätsentfremdung bei dem Betroffenen zu, da dieser täglich in das häusliche Milieu zurück kehrt. Eine Idealisierung des Elternhauses und eine Verschleierung der ursächlichen Probleme innerhalb des sozialen Lebensraumes ist daher, wie bei der Heimerziehung oftmals der Fall, nicht möglich. Gegenüber dem Hort ist immer wieder auf die deutliche Abgrenzung in der Arbeitsweise der Tagesgruppen hinzuweisen, Charakteristisch ist die starke Orientierung an der Familie, die intensive Einzelfallarbeit und der günstige Personalschlüssel von drei bis vier Kindern je pädagogische Fachkraft bei kontinuierlicher Anwesenheit.
Konzeptionelle Darstellung der Tagesgruppe als Lebensraum der Kinder und Jugendlichen
In unserer Tagesgruppe stehen sieben Plätze zur Verfügung, Die Grup pe ist offen für Mädchen und Jungen im Alter von acht bis 13 Jahren und orientiert sich mit ihrem Einzuggebiet aufgrund des sozialintegrativen Ansatzes auf den sozialen Nahraum der Neubaugebiete Schönwalde. Die sozialen Kontakte der Kinder und Jugendlichen bleiben so bestehen, Beziehungsabbrüche werden vermieden und Familienmitglieder können in die Arbeit einbezogen werden. Die tägliche Arbeit wird alttagsorientiert und familienentlastend gestaltet. Durch nahe Wege sind Kontakte zu Eltern, Lehrern, Freunde schnell hergestellt.
Zielgruppe
In unserer Tagesgruppe bieten wir die Betreuung für schulpflichtige Kinder an, die in einer überlasteten Familiensituation leben, wobei familiäre Bezugssystem aber noch in Ordnung ist und somit nur der Stärkung und Unterstützung bedarf. Wir bieten Hilfe bei negativem Entwicklungsverlauf der familiären Erziehung und Hilflosigkeit der Eltern zur eventuellen Vermeidung einer stationären Heimunterbringung. Wir geben Hilfen bei sogenannten verhaltensauffälligen Kindern, beim Abbau von Schulleistungsdefiziten und bieten Entwicklungsmöglichkeiten für ein genug entwickeltes Selbstwertgefühl der Kinder durch Vermittlung von Erfolgserlebnissen. Das Angebot Hilfe zur Erziehung in der Tagesgruppe sollte eine zeitlich begrenzte Maßnahme sein und eine pädagogisch geleitete kurzfristige Aufarbeitung von Problemen der Kinder ermöglichen, bei längerfristigem Bedarf an Hilfen zur Erziehung ermöglichen wir einen fließenden Übergang in die jeweilige Unterstützungsform
Die Leistungsfähigkeit der Tagesgruppe
Schwerpunkte unserer Arbeit sind sozialpädagogische Einzelförderung und Elternarbeit. Die Tagesgruppe dient folglich als Trainings- und Experimentierfeld zur Stärkung des Selbstwertgefühls durch Erfolgserlebnisse und Festigung von emotionalen Bindungen. Wir nutzen vor allem Interessengemeinschaften, sportliche Aktivitäten und offene Angebote, um die Integrations- und Anpassungsfähigkeit gemeinsam zu fördern. Kochen und Backen mit anderen Kindern und nehmen an öffentlichen Bastelkursen teil. In der sozialpädagogischen Einzelförderung nutzen wir den Vorteil des idealen Betreuungsschlüssels für die kognitive, emotionale und soziale Entwicklung des Kindes und beschäftigen uns mit dem Einzelnen.
So können individuell ausgerichtete Einzelfallhilfen, z.B. bei der Hausaufgabenanfertigung gegeben werden. In problematischen Lebenssituationen können individuelle Zuwendung und Betreuung garantiert werden. Daneben ist die sozialpädagogische Familienarbeit durch enge Elternkontakte gekennzeichnet. Die Eltern werden in regelmäßigen Zeitabschnitten über den Entwicklungsstand ihrer Kinder infor miert, in tägliche Alltagssituationen der Tagesgruppe einbezogen und bei der Entwicklung von Lösungsstrategien für die Probleme ihrer Kinder direkt gefordert. Fernziel der Tagesgruppenarbeit ist es aber vor allem, über die Erfolge der Förderung und der flankierenden Elternarbeit die Betreuung allmählich durch weniger intensive Betreu ungs- und Beratungsangebote abzulösen.
Methoden der Tagesgruppenarbeit
Ein wesentlicher Bestandteil der sozialpädagogischen Gruppenarbeit besteht in der Förderung der kommunikativen und sozialen Kompetenz der Kinder. Bei der Nachmittagsgestaltung werden von uns immer wieder Möglichkeiten gesucht, interessen- und zielorientierte Kleingruppen neben der Gesamtgruppe im Freizeitbereich zu organisieren. Soziales Lernen findet aber auch statt bei der gemeinsamen Zubereitung und Einnahme des Mittagessens und bei der demokratischen Durchführung des wöchentlichen Tagesgruppenkreises. Hier erfolgt die Planung des Tagesablaufs, die Aufteilung von Verantwortlichkeiten und die Absprache der Freizeitaktivitäten der ganzen Gruppe. Dies erfordert gegenseitige Rück sichtnahme, jeder soll mit seinen Vorstellungen zu Worte kommen, und fördert die Herausbildung der Fähigkeit, zu einer gemeinschaftlichen Entscheidungsfindung zu gelangen. Im Gruppenalltag wird der pädagogische Anspruch dadurch umgesetzt, daß die Gruppe selbst als strukturiertes Lernfeld wirksam wird und die individuelle Konflikt- und Problemaufar beitung für jedes Kind integrativer Bestandteil des Zusammenlebens ist. Zur aktiven Aus einandersetzung der Kinder mit ihren sozialen und emotionalen Konflikten nutzen wir
- Themenveranstaltungen (z.B. Puppenspiel, Sportnachmittage, kreatives Arbeiten mit Ton, Papier, Holz u.a.)
- Verschiedene Medien (Fernsehen, Video, Kino u.ä.)
- Angebote der offenen Jugendarbeit der Stadt Greifswald.
In kindspezifischen Lernsituationen werden Selbst- und Fremderfahrungen, neuer Wissenserwerb sowie das Probieren und Üben neuer Verhaltensweisen ermöglicht. Des weiteren sehen wir einen wesentlichen Aspekt unserer Arbeit in der Begleitung der schuli schen Förderung. Hier werden die individuellen Fähigkeiten und das Leistungsvermögen der Kinder gezielt berücksichtigt. Die Hilfe erfolgt beim einzelnen Kind in der für ihn individuellen Form (d.h. Arbeiten am eigenen Schreibtisch entweder alleine im Zimmer oder mit mehreren in der Gruppe; Veranschaulichung von Aufgabenstellungen an der Tafel, am Modell oder über andere Hilfsmittel u.ä.) und es erfolgt eine auf den Einzelfall abgestimmte Zusammenarbeit mit der Schule. Bei alldem werden die intellektuellen Möglichkeiten der Eltern berücksichtigt und Schulaufgaben, bei denen die Eltern helfen können, zum Teil in deren Verantwortung erledigt. Elternabende in den Schulen und Kontakte zu den Lehrern werden mit Unterstützung der MitarbeiterInnen der in eigener Verantwortung der Eltern wahrgenommen. Im Rahmen unserer Möglichkeiten setzen wir sozialpädagogische und therapeutische Fördermaßnahmen in unserer Arbeit um. Dazu gehören Angebote im Rahmen der individuel len Förderung
- im motorischen Bereich (Grob- und Feinmotorik)
- durch die Vermittlung von Bastel-, Modellier- und Schnittechniken
- durch Bewegungsspiele und Sport.
Ebenfalls erfolgt die Vermittlung von lebenspraktischen Kenntnissen durch gemeinsames Einkaufen, Kochen und Backen. Gemeinsam mit den Kindern werden individuelle Interessen herausgebildet und bei der Integration in Vereine bzw. Arbeitsgemeinschaften vermitteln und unterstützen wir. Zusätzlich bieten wir in den Winter- und Sommerferien Ferienlager an, wo die Kinder der Tagesgruppe mit anderen Kindern aus Greifswald und der Umgebung zusammen treffen. Eine psychologische Beratung der Eltern und Kinder können wir im Rahmen unse res Leistungsangebots ebenfalls anbieten. Wir bemühen uns, eine über unser Angebot hinaus notwendige therapeutische Betreuung zu vermitteln und zu unterstützen.
Eltern- und Familienarbeit
Von besonderer Bedeutung in der Tagesgruppenarbeit ist die Einbeziehung der Familie als primäres Lebensfeld des Kindes. Zur Arbeit mit dem familiären Bezugssystem gehört bei uns die Elternberatung, die regelmäßige Information der Eltern über den Entwicklungsstand ihres Kindes mit der Benennung von positiven und negativen Entwicklungstendenzen, die Durchführung von Elternabenden und die Einbeziehung in die Fest- und Feiertagsgestaltung von Gruppenanlässen. Der Aufenthalt eines Kindes in der Tagesgruppe bedeutet für die Erziehungsberechtigten eine zeitweise Entlastung, ohne sie jedoch aus der Verantwortung ihrer Erziehungspflicht zu entlassen.
Der entstandene Freiraum für Eltern und Kind kann zur Klärung der Bezie hungen zwischen den Familienmitgliedern oder anderen betroffenen Personen genutzt werden, Erziehungshilfen können alltagsnah zwischen PädagogInnen und Eltern abgestimmt werden. Die intensive und zum Teil integrative Zusammenarbeit zwischen den Personensorgeberechtigten und den PädagogInnen ermöglicht der Familie das Erlernen neuer familiärer Umgangsformen, die aktive Teilnahme am Entwicklungsprozeß des eigenen Kindes und die sofortige Integration von Verhaltensänderungen des Kindes in die jeweilig bestehenden Beziehungssysteme. Diese enge Zusammenarbeit setzt einen offenen und vertrauensvollen Umgang aller Betei ligten voraus.
Arbeits- und Betreuungszeiten
Die Betreuung der Kinder in der Tagesgruppe ist in der Regel von Montag bis Freitag von 8.00 – 17.00 Uhr gewährleistet. Diese Zeiten können je nach Bedarf verändert werden. Während der Schulzeit richtet sich der Betreuungsbeginn nach den Stundenplänen der Kinder. Die Zeit bis zum Eintreffen der Kinder wird genutzt für
- Teamgespräche, Supervision, Fallbesprechungen
- Hospitationen in der Schule
- Kontakte mit den Lehrern
- Hausbesuche im Rahmen der Elternarbeit
- Kontakte zum Jugendamt (Fachgespräche, Erziehungskonferenzen)
- Vorbereitungen der Aktivitäten am Nachmittag
- Vorbereitung der Mittagsmahlzeiten etc.
In Einzelfällen ist zu entscheiden, ob Kinder von der Schule abgeholt bzw. am späten Nachmittag nach Hause gebracht werden.