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Der pädagogische Ansatz gegenüber alleinerziehenden jungen Eltern mit Defiziten in der Persönlichkeitsentwicklung

Die Betreuung von alleinerziehenden jungen Eltern mit Defiziten in der Persönlichkeitsentwicklung stellt aus unserer Sicht eine wichtige präventive Aufgabe dar. Zentral für die gesunde Entwicklung von kleinen Kindern ist, der Aufbau eines geglückten Bindungsverhaltens.

Rahmenbedingungen und Bedarf

Immer wieder zeigt sich, daß eine angemessene Betreuung und Förderung von Kindern und Jugendlichen im elterlichen Haushalt nicht gewährleistet und somit eine Inobhutnahme erforderlich ist Damit dies nicht als Einweisung in speziell darauf ausgerichtete (Kinder-) Heime zu geschehen braucht, bemüht sich die Jugendhilfestation Greifswald um die Anmietung von geeigneten Räumlichkeiten, in denen kleine, familienähnliche strukturierte Wohngruppen mit geringer Platzzahl eingerichtet werden können.

Nach § 34 KJHG kann eine Hilfe zur Erziehung in einer Einrichtung über Tag und Nacht Kinder und Jugendliche durch eine Verbindung von Alltagsleben mit pädagogischen und therapeutischen Angeboten in ihrer Entwicklung fördem. Sie soll entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes oder des Jugendlichen

  • eine Rückkehr in die Familie zu erreichen versuchen oder
  • die Erziehung in einer anderen Familie vorbereiten oder
  • eine auf längere Zeit angelegte Lebensform bieten und auf ein selbständiges Leben vorbereiten.

Im Zuge der Ende der 60er Jahre einsetzenden Kritik an der traditionellen Heimeziehung wurde unter anderem auch der Auf- und Ausbau von Kleinstheimen (bzw. “Kinderhäusern”) mit dem Ziel einer familienorientierten Ausgestaltung des pädagogischen Milieus gefordert. Letzteres entspricht sowohl den Empfehlungen des Kultusministeriums des Landes Mecklenburg-Vorpommem als auch den Vorstellungen des Landesjugendamts. So wurde vom Kultusministerium Mecklenburg-Vorpommern in den Richtlinien zur Förderung sozialraumorientierter Angebote der Kinder- und Jugendhilfe- ausdrücklich und programmatisch das Ziel formuliert, ein leistungsfähiges Netz von Kleinsteinrichtungen zur Unterbringung über Tag und Nacht mit familienähnlichem Charakter zu entwickeln. In diesem Zusammenhang beziehen wir uns explizit auch auf den uns vom Jugendamt der Hansestadt Greifswald angezeigten Bedarf, eine Gruppe von 6 Heimkindern in einer familienähnlich betreuten, altersübergreifenden Wohngruppe unterzubringen.

Gestaltungselemente und Funktionen

  • 3 pädagogische Fachkräfte (männliche und weibliche MitarbeiterInnen) sind alleinige Bezugspersonen für die Kinder
  • Von den MitarbeiterInnen werden sämtliche Tätigkeiten. die auch im Rahmen eines traditionellen Familienverbandes anfallen, insbesondere hauswirtschaftliche Arbeiten (Kochen. Waschen. Reinigung der Räume etc.) ausgeführt
  • Eine Kontinuität in der Betreuung wird insofern gewährleistet, als die MitarbeiterInnen jeweils über mehrere Tage (und Nächte) am Stück in der Wohngruppe anwesend sind, so daß dem Bedürfnis der Kinder Rechnung getragen wird, sich an festen Bezugspersonen orientieren zu können
  • Es wird sehr alltagsorientierte und lebensweltnahe Betreuung durchgeführt, das heißt insbesondere, daß die bestehenden Lebensweltbezüge möglichst weitgehend erhalten bleiben sollen. vor allem die existierenden sozialen Kontakte (zu Eltern, Geschwistem und Freunden), die bestehenden Einbindungen in Bildungs- und Freizeiteinrichtungen (Kita, Schule, Vereine) sowie die Kontakte zu Ärzten, Therapeuten. Fördereinrichtungen etc.
  • Die Ausgestaltung des Tagesablaufes wird unter Einbeziehung aller Familienmitglieder gewährleistet, dass heißt, daß die Kinder/Jugendlichen mit in die Haushaltsführung (Einkäufe, Essenzubereitung, Reinigung etc.) eingebunden und bei der Planung und Organisation der Freizeitgestaltung aktiv beteiligt werden
  • Im Rahmen der Betreuung einer kleinen Gruppe von Kindern/Jugendlichen werden Möglichkeiten geschaffen, um gezielt auf die individuellen Bedürfnisse, Wünsche und Interessen des Einzelnen einzugehen
  • Gezielte, das heißt am individuellen Bedarf orientierte und häufig in der Vergangenheit vernachlässigte Versorgungsmaßnahmen, Heilbehandlungen und Therapien werden eingeleitet und durchgeführt
  • Freiräume werden geschaffen, die spontanes und kreatives Handeln ermöglichen und fördern

Zusätzlich zu den hier genannten Funktionsbereichen. die sich direkt aus der Forderung nach familienähnlich strukturierten Lebensbedingungen ableiten lassen (und die somit auch charakteristisch sind für funktionierende “natürliche” Familienverbände), ergeben sich für die MitarbeiterInnen einer Kleinsteinrichtung eine Reihe von Aufgabenbereichen, die über das hinausgehen, was in einer natürlich gewachsenen Familie zu leisten ist. Sowohl im Falle der Übernahme von Kindern (und Jugendlichen) aus Einrichtungen der Heimerziehung als auch im Falle einer Inobhutnahme (Herausnahme aus der Herkunftsfamilie) soll – “entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes oder des Jugendlichen” (§ 34 SGB VIII – KJHG) – eine Vorbereitung auf die weitere Perspektive geleistet werden. Letzteres betrifft die drei auch im SGB VIII (KJHG) genannten Möglichkeiten:

– Rückführung in die (Herkunfts-) Familie,
– Integration in eine andere Familie (Pflegefamilie) oder
– Entlassung in eine mehr oder weniger selbständige Lebensform.

Eine gezielte Vorbereitung, insbesondere auf die Integration in eine Pflegefamilie, sollte dabei nicht ausschließlich in Form von vorbereitenden Gesprächen, sondern vor allem auch in Form von Besuchskontakten, gemeinsamen Freizeitunternehmungen etc. erfolgen, um einen abrupten, mit erneuten Beziehungsabbrüchen einhergehenden Wechsel der Bezugspersonen zu vermeiden.

Ähnlich wie bei der Erziehung in einer Tagesgruppe (§ 32 SGB VIII – KJHG) impliziert auch die Betreuung in einer familienähnIich strukturierten Kleinsteinrichtung eine flankierende Elternarbeit (Verbesserung und Stabilisierung der Beziehungen zwischen Eltern und Kindern) – soweit dies im Einzelfall möglich ist. Damit die Kinder und Jugendlichen im Spannungsfeld zwischen Herkunftsfamilie und Fremdunterbringung (Heim, Kinder- und Jugendwohngruppe) ihre Orientierung finden können, müssen die Bezüge zur Herkunftsfamilie hergestellt, aufrechterhalten, gepflegt und – nach Möglichkeit – positiv entwickelt werden.

Der Wunsch der Kinder nach Aufrechterhaltung der Kontakte zu Bezugspersonen im familiären Umfeld (Eltern, Geschwister, Verwandte) wird somit akzeptiert und unterstütztes Ziel ist dabei, die Verarbeitung von Trennungserlebnissen und die Neubewertung der Beziehungen zu den Eltern (etc.) zu ermöglichen. Konkret kann die Elternarbeit durch vielfältige Formen der (gegenseitigen) Information und Kooperation verwirklicht werden (gemeinsame Aktivitäten, wechselseitige Einladungen etc.).

Ausgehend von der Annahme, daß die für eine Aufnahme in die Kinder- und Jugendwohngruppe in Frage kommenden Kinder (und Jugendlichen) einem mehr oder weniger stark ausgeprägten pädagogischen Mangelmilieu entstammen und somit vermutlich eine Reihe von zu kompensierenden Entwicklungsrückständen aufweisen, ergibt sich für die MitarbeiterInnen der Wohngruppe als zusätzlicher Betreuungsschwerpunkt. im Einzelfall die Notwendigkeit intensiver sozial- und heilpädagogischer Fördermaßnahmen (im Sinne therapeutischer Interventionen) zu berücksichtigen.

Letzteres bezieht sich natürlich auch auf möglicherweise existierende Verhaltensauffälligkeiten und dissoziale Verhaltenweisen, die gehäuft als Folge von Beziehungs- und Zuwendungsdefiziten, Mißhandlungen, Demütigungen, Gewalterlebnissen, rigider Unterdrückung und/oder allgemeiner erzieherischer Vernachlässigung auftreten. Da die Wohngruppe eine möglichst weitgehende Alltagsorientierung (s.o.) gewährleisten soll, muss – bei Bedarf – in jedem Einzelfall überlegt werden, inwieweit diese zusätzlichen therapeutisch orientierten Maßnahmen intern von den Mitarbeiterinnen selbst, oder aber von externen, spezialisierten Fachkräften (Ärzten, Psychotherapeuten, Logopäden etc.) realisiert werden können (und sollen). Da es aus unserer Sicht jedoch vorteilhaft wäre, wenn zumindest ein Teil dieses zu erwartenden Bedarfs im Kontext der Wohngruppe selbst abgedeckt werden könnte, sind wir bemüht, neben MitarbeiterInnen mit einer erzieherischen Ausbildung zumindest auch eine Fachkraft zu beschäftigen, die eine heilpädagogische Ausbildung absolviert hat – und möglichst auch entsprechende Berufserfahrungen mit einbringt.

Personal

Die Zusammensetzung der in der Kinder- und Jugendwohnung tätigen MitarbeiterInnen sollte geschlechtsgemischt sein, um zu gewährleisten, daß alle BewohnerInnen die Möglichkeit haben. die für identitätsstiftende Prozesse erforderlichen geschlechterrollenspezifischen Lernerfahrungen zu machen. Außerdem ergeben sich auf diese Weise zusätzliche Möglichkeiten der Projektion und Übertragung, denen ein quasi therapeutischer Stellenwert zugeschrieben werden kann.

Die MitarbeiterInnen sollten über eine pädagogische Grundqualifikation verfügen, d. h. möglichst einen Berufsabschluß als Erzieher / Erzieherin nachweisen können sowie – nach Möglichkeit – einschlägige Berufserfahrungen im Bereich der Betreuung von Kindern und Jugendlichen. Wünschenswert wäre außerdem, daß zumindest ein Mitarbeiter bzw. eine Mitarbeiterin eine Zusatzqualifikation als Heilpädagoge / Heilpädagogin oder eine andere therapeutische Ausbildung (z.B. Spiel- oder Bewegungstherapie) mit einbringt (s.o.).

Die Fachlichkeit der in der Wohngruppe tätigen MitarbeiterInnen wird weiterhin durch gezielte kontinuierliche Fortbildung sowie durch Praxisbegleitung und Fallbesprechungen im Rahmen der regelmäßigen Teamsitzungen in der Jugendhilfestation sowie durch die Teilnahme an der (externen) Supervision gewährleistet.

Die enge Einbindung in das Team der Jugendhilfestation verhindert einerseits ein Abgleiten in die (fachliche) Isolation und gewährleistet andererseits auch eine breit angelegte Unterstützung durch das Team im Bedarfsfall (Beschaffung, Organisation etc.).

Arbeitszeiten

Die MitarbeiterInnen leben – im Wechsel – jeweils für drei Tage (und Nächte) mit den Kindern und Jugendlichen zusammen, d.h. sie sind für diese Zeit “allzuständig“. Sie erledigen alle in diesem Zeitraum anfallenden Aufgaben, verbringen mit den Kindern zusammen den Alltag und die Freizeit und schlafen auch in der Wohnung – in einem Raum, der speziell als Erzieherzimmer (Büro und Schlafraum) eingerichtet ist.

Abgesehen von den jeweils stattfindenden Dienstübergaben (i.d.R. über mehrere Stunden) finden in regelmäßigen Abständen Teamsitzungen statt, in denen gemeinsam über anstehende Aktivitäten, erzieherische Fragen etc. reflektiert wird. Auf die Teilnahme an den regelmäßig stattfindenden Teambesprechungen der MitarbeiterInnen der Jugendhilfestation wurde an anderer Stelle bereits hingewiesen. An größeren Freizeitaktivitäten (Ausflüge, Feste etc.) sowie an Urlaubsfahrten (z.B. in den Schulferien) beteiligen sich nach Möglichkeit zwei bzw. alle drei MitarbeiterInnen.

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